Einen See entdecken

Wenn dir der Winter noch in den Knochen steckt und du dich übergesehen hast an Weiß, Grau und Braun, wenn Autolärm nervt und du mal wieder unebenen Boden betreten willst, dann musst du raus. Rechts raus aus der kleinen Stadt und rein ins Dorf. In Neritz holperst du die Kopfsteinpflasterstraße lang und betrachtest die Ausgestorbenheit. Nur hie und da wirst du einen Alten sehen, der seinen Obstgarten bepuzzelt, oder einen Hofhund, der dich anbellt, wenn du dein Auto am Dorfausgang vor seiner schmiedeeisernen Pforte abstellst. Nur ein paar Schritte geradeaus musst du gehen, gerade so weit, dass rechts und links das flächig explodierende Grün zu sehen ist, das Äcker und Wiesen überzieht. Du wirst bemerken, dass es still um dich wird und je stiller es ist, desto lauter zwitschern die Vögel. Mit Bedauern wirst du feststellen, dass du ihre Stimmen gar nicht ihren Namen zuordnen kannst. Die schmale Straße wird gesäumt von Buschwindröschen und die Knospen an Büschen und Bäumen sind kurz vorm Platzen.

Rechts am Ende einer Wiese wird dich ein malerischer Baum, an den eine Hochsitzleiter gelehnt ist dazu verführen, einfach drauf zu zu stapfen. Dem Baum entgegen und du wirst den kleinen Wall hinaufsteigen. Nur einen halben Meter höher kannst du nun schauen, aber das ist genug, um rechts ein blaues Leuchten zu erhaschen. Du kannst dich nicht erinnern, dass dort ein See sein soll, aber es wird dir egal sein. Am Ackersaum kannst du langgehen, dem Blau entgegen. Du kannst einen kleinen Frosch in einer Ackerfurchenpfütze finden und erkennst, dass du erst durch ein kleines Waldstück musst, um ans Wasser zu gelangen. Rehe wirst du aufscheuchen und dann wirst du staunen über das kleine Sumpfgebiet, in dem die Bäume stehen. Gelbe Grasbüschel darin und überraschend blaues Wasser zwischen den Stämmen. Dort wo Wald und See sich treffen musst du leise sein, denn erst wenn du ganz nah dran bist, kannst du die Schwanenmutter sehen, die auf einem Grashügelchen im Wasser ihr Nest hat. Keine Angst - wenn du dich behutsam bewegst, wird sie sich nicht beim Brutgeschäft stören lassen. Die ganze Szenerie ist verwunschen und genau das, was du deinen Winteraugen gegönnt hättest. Du kannst dich auf einen Baumstumpf setzen und einfach gar nichts tun.  Vielleicht die Jacke ausziehen, denn es wird warm und sonnig sein. Am anderen Ufer kannst du den zweiten Schwan ausmachen und eine Schar Wildgänse. Schellenten und Blesshühner, Bachstelzen und ein Eichelhäher wohnen ebenfalls hier. Du wirst nichts hören, als Tierlaute und leises Wasserplatschen, Menschen siehst du weit und breit nicht.

Wahrscheinlich wirst du dich hier besser erholen, als an einem Tag am vollen Strand. Du kannst fast ganz um den See herumgehen, den Vaterschwan dabei beobachten, wie er Streit mit den Wildgänsen anfängt und dich amüsieren über das hysterische und dauerheisere Geschrei der Gänse.

Wenn du wieder beim Auto angekommen bist, wirst du dich wahrscheinlich wundern, dass drei Stunden vergangen sind und Lust auf ein Alsterwasser haben. Das kannst du dir im Dorfkrug in Grabau gönnen. Dort kannst du draußen sitzen und hast wieder eine Kopfsteinpflasterstraße vor der Nase, die warme Hausmauer im Rücken und die Sonne im Gesicht.

Wenn du das nächste Mal also den Winter aus den Knochen wischen willst, dann tu genau das oder was Ähnliches.

Wir haben es genossen!